Die Wallfahrtskirche St. Rasso ist seit der Gründung des Pfarrverbandes Grafrath im Jahre 1979 die Mittelpunktkirche der früher eigenständigen katholischen Pfarreien Unteralting und Kottgeisering, ab 2012 auch für die Pfarreien Schöngeising, Landsberied und Aich. Die Pfarrei Unteralting war zuständig für die ganze heutige Gemeinde Grafrath, die 1972 durch den Zusammenschluss von Unteralting mit dem benachbarten Dorf Wildenroth entstanden war. Zuvor trug den Namen „Grafrath“ nur ein zu Unteralting gehörender Weiler mit der Wallfahrtskirche St. Rasso, dem Franziskanerkloster, der Gaststätte zum Klosterwirt und einigen Privathäusern. Dieser Weiler gehörte und gehört noch heute zum Bistum Augsburg, während die beiden Pfarreien und damit der Pfarrverband unter der Jurisdiktion des Bistums München-Freising stehen (Amper als Bistumsgrenze). Das Bistum Augsburg stellte die in seinem Bistum liegende St. Rassokirche dem neuen Pfarrverband als Mittelpunktkirche zur Verfügung. Betreut werden die Wallfahrtskirche und der Pfarrverband von den im Kloster lebenden Franziskanern, heute vier Patres aus der schlesischen St. Hedwigsprovinz Breslau (Polen).
Graf Rasso, bis Mitte des 19. Jahrhundert allgemein Graf Rath genannt, war in der Karolingerzeit Graf im Ammersee-Amper-Gebiet und gilt als der Begründer des später bekannten Geschlechts der Grafen von Andechs. Er gründete auf der damals noch Wörth genannten Amperinsel ein Kloster, erbaute an der Stelle der heutigen Wallfahrtskirche St. Rasso eine erste Klosterkirche, pilgerte nach Jerusalem und nach Rom, um für seine Kirche Reliquien zu sammeln, und trat nach seiner Rückkehrt als Laienmönch in sein Kloster ein. Bereits bei der Kirchenstiftung hatte er sich im Boden der Kirche ein Grab aus Steinplatten anlegen lassen, in dem er dann bestattet wurde und das den Mittelpunkt der heutigen Kirche bildet.
Anfang des 12. Jahrhunderts verlegten die Grafen von Dießen und Andechs das Kloster nach Dießen, die Reliquien holten sie auf ihre Grafensitze nach Wolfratshausen und Andechs. Beides ließen sie sich 1132 von Papst Innozenz II. bestätigen. Zum Grab des Grafen Rath aber setzte bald eine immer stärker werdende Wallfahrtsbewegung aus ganz Süddeutschland und Österreich ein, so dass der Ort schon im Mittelalter nicht mehr „Wörth“, sondern „St. Grafrath“ genannt wurde. Als sich die erste Kirche mit dem Grab des als heilig verehrten Grafen Rath/Rasso für die vielen Wallfahrer zu klein erwies, wurde sie erweitert. Von 1688 bis 1995 baute man über die alte Kirche die noch größere heutige Kirche, in der die aus dem Grab entnommenen Gebeine des Kirchenstifters auf den Hochaltar erhoben wurden.Das Gotteshaus ist ein Meisterwerk von dem Vorarlberger Baumeister Michael Thumb, dem Augsburger Freskanten Johann Georg Bergmüller , den Münchner Hofbildhauern Johann Baptist Straub und Ignaz Günther, den Wessobrunner Stukkateuren Johann Üblherr und den Brüdern Franz und Johann Feichtmayr. Durch die Verbindung dieser hervorragenden Meister in ihrem Fach ist hier ein Werk von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung entstanden.
Die traditionelle Verbindung der Münchner Bürger zum hl. Rasso ist durch Wallfahrten und großzügige Stiftungen verbürgt. Das Münchner Wappen neben der Uhr im Chorbogen beweist das. Generationen von Frauen, Männern und Jugendlichen sind zum "Steinheiligen" gepilgert und haben Hilfe erlangt. Gott allein weiß wie viel Segen in die Familien floss. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte Grafrath neben Altötting und Andechs zu den drei großen Wallfahrtsorten Südbayerns. Die renovierte Kirche soll nun beitragen die Wallfahrt zum hl. Rasso zu stärken und wieder neu aufleben zu lassen.
Restaurierung
Restaurieren heißt wieder herstellen. Also das Ursprüngliche wieder zu tage bringen, den Originalzustand anstreben. Mit künstlerischem Einfühlungsvermögen, naturwissenschaftlichen Kenntnissen, chemischen Untersuchungen und kunsthistorischem Wissen ist es der Firma Wiegerling Bad Tölz gelungen das barocke Juwel zu erneuern.
Nach vierjähriger Renovierung erstrahlt und leuchtet das Gotteshaus im neuen Glanz. Alte Farbschichten der Raumschale wurden entfernt. Die originale Stuckglätte, so wie sie vor 300 Jahren war, kam zum Vorschein. Die Fresken wurden in mühevoller Kleinarbeit gereinigt. Die Rassokirche ist eine der wenigen Gebäude in Bayern, in der die Fresken im Originalzustand, also ohne Übermalung und Ausbesserung, erhalten sind. Unter dem schwarzen Anstrich am Gitter fanden die Restauratoren eine graue Farbe. Jetzt strahlt das Gitter in einer hellgrauen und goldenen Pracht. Am Hochaltar sind frühere Übermalungen an den Figuren entfernt, und die ursprüngliche Bleifassung freigelegt worden.
Im Zuge der Gesamtrenovierung sollte auch der Altarraum eine zeitgemäße Gestaltung erfahren. Über tausend Jahre lang feierte die Kirche in der hl. Messe vor allem das Erlösungsopfer, das Christus mit seinem Tod vollbracht hat. Deshalb wandte sich der Priester am Altar dem Kreuz und nicht der Gemeinde zu. Im II. Vatikanischen Konzil (1962 - 68) machte die Kirche in der Liturgie einen radikalen Sprung zurück in die junge Kirche. Verkündigung in der Muttersprache und eucharistisches Mahl bestimmen den Gottesdienst. Der Tisch des Mahles und der Ambo sind in der Mitte des Kirchenraumes. Der in sakrale Kunst erfahrene Bildhauer Michael Sailstorfer wurde von den Baureferenten der Diözesen München und Augsburg beauftragt, dem Kirchenraum angepasst, eine Lösung zu finden, die liturgisch und künstlerisch überzeugen kann. Eine historisierende Gestaltung lehnten beide Baureferenten ab. Die Mensa besteht aus 3 gleichgroßen Blöcken. Sie symbolisieren die hl. Dreifaltigkeit. Der Altar ist von tiefer Symbolik. Im Weihegebet heißt es: " Dieser Altar sei uns ein Bild des Herrn Jesus Christus, aus dessen geöffneter Seite im Wasser und im Blut die Sakramente der Kirche hervorgehen". Die Mensa steht in der Mitte, weil Christus auf dem Altar bei der Feier der Eucharistie mitten unter uns ist. Dieser Altar ist verankert und steht unverrückbar fest. Niemand kann ihn beiseite schieben. Auch dadurch verweist er uns auf unseren Herrn Jesus Christus. Denn Christus ist für uns die unverzichtbare, durch nichts und niemanden zu ersetzende Mitte.
(Quelle historischer Teil: Meßmer, Ernst: Grafrath und die Anfänge von Dießen und Andechs. Neue Bewertung und Auswertung der Quellen über frühe Zusammenhänge, in: Oberbayerisches Archiv 133. Band (2009), S. 161-246.)